An der Grenze

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Die Nacht verläuft ruhig, ohne Alarm, und so können wir unser Frühstück (das wir seltsamerweise schon am Vorabend aus einer Auswahl von 6 verschiedenen Frühstückskonfigurationen ausgewählt haben) in Ruhe genießen.
Heute wurde die Moskwa im Schwarzen Meer angegriffen. Das erfahre ich beim Blättern durch die aktuellen Nachrichten. Eine Tätigkeit, die in der Ukraine mittlerweile zur Gewohnheit geworden ist, um am Stand der Dinge zu sein.
Das bringt mir nach dem gestrigen wunderbaren Abend wieder die Gänsehaut zurück und zeigt, wie unberechenbar das Leben in der Ukraine geworden ist.  Vorgestern haben wir noch über die neue Briefmarke geplaudert, die den Stinkefinger der Schlangeninsel „Verteidiger“ der Moskwa zeigt.  Ich wollte so ein Exemplar haben, hatte aber keine Ahnung wo so etwas am Weg zu bekommen ist. (Ein Jahr später habe ich dann ein Exemplar 😉 )


Olpo möchte zum Ushgorod PKW Grenzübergang, da wir nun quasi leer fahren, aber eine lange Kolonne vor der Grenze zeigt uns, dass der LKW Übergang vielleicht doch die bessere Wahl ist.
Dort stehen auch sehr viele LKW’s, aber wir fahren leer und deshalb wirklich frech bis zur ersten Waage vor.
Dort erkläre ich den ersten Ukrainischen Grenzbeamten den Sachverhalt und nach ein paar Start Verständigungsschwierigkeiten bringt er uns persönlich bis zum Zoll nach vorne.
Das Zollgebäude kenne ich bereits, diesmal stehen wir aber auf der Export Seite.
Ich betrete das Gebäude und suche nach bekannten Gesichtern, und wirklich!
Ich grüße den Rang höchsten Beamten vom letzten Mal, der zufällig heute auch (wieder im Import) Dienst hat, und damit geht alles einfacher (nicht unbedingt schneller)
Er erklärt dem Export Kollegen den Sachverhalt und im Finale wird unser Fall wieder von 4 Beamten gleichzeitig abgewickelt. Da alle Zoll Dokumente natürlich nur in Ukrainisch ausgeführt sind, eine große Erleichterung! 🙂


Als alle Daten erfasst, auf Papier ausgedruckt und mehrfach abgestempelt sind, dürfen wir fahren. So glücklich sind wir, dass wir gleich auch an der finalen Passkontrolle der Ukraine vorbei fahren.
Das merken wir jedoch erst, als Olpo dem Ukrainischen Soldaten am letzten Schranken den Laufzettel gibt.
Wir können uns aber Gott sei Dank den Weg zurück sparen, denn links von uns ist das Niemandsland zwischen den Grenzen und dahinter gleich die Ukrainische Einfahrtskontrolle, wo ebenfalls Pässe kontrolliert und Laufzettel abgestempelt werden. Damit kommen wir schnell wieder zurück zum Schranken und weiter – es sitzt ja auch eine Soldatin am ukrainischen Schalter.


Das ging im Vergleich zum letzten Mal relativ schnell vor sich. Wir haben jedoch noch nicht die Halbzeit unseres Aufenthalts an der Grenze erreicht,  aber wie könnten wir das jetzt schon wissen?
Es beginnt das gleiche Spiel auf der Slowakischen Seite. Auch hier durchlaufen wir mehrere Stationen, und auch die Unter- und Durchsuchung des Fahrzeugs fällt einigermaßen harmlos (für eine Schengengrenze) aus. Nervend sind einfach die Wartezeiten, wo nichts passiert. Ich bewundere und bedaure die LKW Fahrer:innen für die diese zermürbende Warterei zum Alltagsgeschäft gehört.
Auf der anderen Seite kommen wir so mit ihnen ins Gespräch. Wir sind offensichtlich die bunten Vögel an dieser Grenze (mit dem gelben Transporter und den zwei Motorrädern im Gepäck) , und erfahren so ein wenig über deren woher, wohin.
Zwischendurch nutze ich das wiedergewonnene EU Mobilfunknetz (seltsamerweise stellt sich die Uhrzeit damit noch nicht automatisch wieder um eine Stunde vor, dafür braucht es anscheinend wirklich GPS) für eine Restaurantkritik des gestrigen Klepatch. Ich bin für meine harten Kritiken bekannt und gefürchtet gn..gn..gn , aber gestern war einfach toll.


Schlussendlich sind wir nach, in Summe, 4 Stunden über die Grenze (diesmal in der Sonne, also angenehm warm). Ich habe die Zeit genutzt und nach einem passenden Abstellplatz für den Transporter gesucht und hoffentlich gefunden. Es gibt einen LKW Parkplatz ca. 200m vor der Grenze an der Zufahrtsstraße. Wir fahren daher an den ganzen Flüchtlings Empfangszelten vorbei und zu diesem Abstellplatz. Als wir uns dort am Schalter melden, werden wir jedoch weiter an einen PKW Parkplatz verwiesen, der wieder am Weg retour, direkt in Vysne Nemecke liegt.
Also noch einmal umgedreht, zurück zur Grenze, vorbei an all den Zelten der Flüchtlingsorganisationen bis zum PKW Parkplatz.
Offensichtlich wurde die Dame dort bereits vom LKW Parkplatzverwalter gebrieft. Sie stellt erst gar keine Fragen sondern weißt uns einen Platz zu, dann erfasst sie die relevanten Daten und läßt uns in Ruhe die Motorräder ausladen.


Während Olpo die Kennzeichentafeln demontiert, probiere ich die Seitenkoffer an der Versys zu montieren, stelle aber fest, dass der linke Koffer einfach nicht aufschnappen möchte. Irgendwie ist der Tragrahmen verbogen, das funktioniert nicht. Wir probieren mit diversen Tricks den Rahmen auszurichten, aber erfolglos. Schlußendlich wird mit einem Spanngurt einfach der Koffer am Motorrad befestigt. Das hält sicher bis nach Hause.  Wir verstecken auch noch ein wenig Parkgeld im Auto. Alena wird sich das Auto abholen kommen, nur wann ist noch ein Fragezeichen.
Dann verabschiedet sich Olpo noch mit einem wehmütigen Blick von seinem Transporter, und wir brechen auf nach Westen.

Es ist mittlerweile 14 Uhr (nun slowakischer Ortszeit) und wir haben doch noch eine längere Strecke (ca. 620 km und lt. Google 8 Std Fahrzeit) vor uns. Zuerst geht es südlich um Kosice herum, dann in die niederen Karpaten, und dann südlich weiter nach Nitra.
Zwischendurch tanken wir einmal. Und kurz vor Nitra noch einmal voll.


Ab Nitra trennen wir uns. Ich sause mit der Versys auf der Autobahn an Bratislava vorbei hinein nach Österreich und nach Hause. Ich erreiche meinen Bezirk mit Sonnenuntergang, perfektes Timing also.
Olpo geht es ein wenig gemütlicher an, aber auch er ist ca. 1 Stunde nach mir ebenfalls zu Hause.

Zu Hause habe ich natürlich die aktuellen Nachrichten gelesen.
Die Moskwa ist mittlerweile gesunken. Ärgerlich, ich hätte mir doch vor Ort die Briefmarke besorgen sollen, die ist jetzt wahrscheinlich ein Vermögen wert…Wie es ausschaut habe ich mittlerweile auch den Ukrainischen Humor übernommen, der dabei helfen kann das Grauen dahinter etwas leichter zu nehmen.
Und auch die Ukrainischen Meme’s sind schon am Laufen…

Es ist vorauszusehen, dass Russland Vergeltungsmaßnahmen starten wird.
Das ungute Gefühl ist wieder zurück…

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